Brandfleck-Kunst nicht verbieten
  6. 3. 2003

ANTRAG
zur Dringlichen Behandlung in der Vollversammlung vom 19. 3. 2003

Nicht schon wieder ein Verbot des Brandflecks des Künstlers Wolfram Kastner zur Erinnerung an die Bücherverbrennung

Der Stadtrat möge beschließen:

Dem Aktionskünstler Wolfram Kastner wird gestattet, im Rahmen seiner Erinnerungsveranstaltung an die Bücherverbrennung am 10. Mai 2003 auf dem Königsplatz einen Brandfleck anzubringen.


Begründung:

Nach längeren Auseinandersetzungen hat der Aktionskünstler Wolfram Kastner im Mai 1995 bereits einmal einen Brandfleck zur Erinnerung an die Bücherverbrennung angebracht. Über diesen Brandfleck ist dann – tatsächlich und symbolisch – Gras gewachsen. Die Gedenkstättenkommission hat diesen Brandfleck im Jahr 1995 abgelehnt, da sie der Meinung war, dass ein solches Kunstwerk dem Ereignis der Bücherverbrennung in München nicht angemessen wäre.
Wir sind der Ansicht, dass die zweitgrößte organisierte Bücherverbrennung der Nationalsozialisten dringend der Erinnerung bedarf – weswegen sich die Grünen beispielsweise u. a. für die Sicherung der „Bibliothek der verbrannten Bücher“ verwenden. Die Gedenkstättenkommission hat ihre Ablehnung 1995 mit der Aufforderung verknüpft, dass die Stadt sich um eine würdige Form des Gedenkens bemühen sollte.
In den letzten acht Jahren ist hierzu aber nichts geschehen – und 2003 jährt sich die Bücherverbrennung zum siebzigsten mal. Wolfram Kastner hat deshalb eine Gedenkveranstaltung für den 10. Mai 2003 auf dem Königsplatz organisiert. Einerseits ist vorgesehen, dass SchülerInnen und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens aus am 10. Mai 1933 verbrannten Büchern lesen, andererseits will Herr Kastner wieder den Brandfleck anbringen. Auch wenn man der Form der Erinnerung durch den Brandfleck skeptisch gegenüberstehen sollte – eine andere Form der Erinnerung ist nicht in Sicht.
Anfang des Jahres hat sich die beim Baureferat angesiedelte Kunstkommission mit dem Antrag Wolfram Kastners beschäftigt und „hat sich im Ergebnis gegen eine Erlaubnis entschieden.“ (Brief des Baureferates an Herrn Kastner vom 20. 01. 2003)
Hier stellt sich die Frage, mit welcher Kompetenz die Kunstkommission sich mit dem Antrag eines Künstlers auf Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis inhaltlich beschäftigt und ein Kunstwerk ablehnt. Selbst wenn das Baureferat bzw. die Kunstkommission der Ansicht sein sollte, dass das Kunstwerk „Brandfleck“ nicht ihren Vorstellungen entspricht, kann die Kommission nicht einzelne Kunstwerke verbieten, weil sie ihr nicht gefallen.
Eine Kunstkommission könnte über ein Kunstwerk entscheiden, wenn Gelder zur Duchführung der Kunstaktion beantragt worden wären – dies ist aber nicht der Fall. Die Kunstkommission hat keine Befugnis, temporäre Kunstwerke Dritter an der Durchführung zu hindern. Oder ist ab sofort vorgesehen, dass Kunstaktionen im öffentlichen Raum – auch solche die keinerlei Fördermittel von seiten der Stadt erfordern – zunächst von der Kunstkommission gebilligt werden müssen? Wir sehen hier auch die Freiheit der Kunst (Art. 5, III) tangiert.

Es handelt sich für das Baureferat ausschließlich um einen Antrag auf Sondernutzung. Dieser sollte neutral betrachtet und erteilt werden.

Fraktion Bündnis 90/Die Grünen – rosa liste
Initiative: Siegfried Benker

Siegfried Benker | siegfried.benker@muenchen.de